Der erste Mann im DDR-Staat, Walter Ulbricht, verkündete 1957: »Wer sich heute daran hindern lässt, überlebte, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen, der schadet sich selbst.« Zu spüren bekamen es vor allem Pädagogen, die sich der Weltanschauungsdiktatur widersetzten. So verlor Oswald Schieck 1957 seinen Lehrauftrag an der Jenaer Ingenieurschule. In der Tageszeitung hieß es dazu: »Die Erziehungs- und Bildungsarbeit kann in unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat nur in die Hände von solchen Lehrkräften gelegt werden, die vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus an ihre Arbeit gehen.« Vom Kindergarten bis zur Hochschule war in der DDR der sogenannte historische Materialismus unumgängliches Bildungsprogramm. In ihren Reihen duldete die SED keine bekennenden Christen. Ihr Ziel war die religionslose Gesellschaft. Ein Mittel war die Jugendweihe. Anpassungsverweigerung war karriereschädigend, und viele Kinder aus christlichen Familien litten unter Schulangst. Der Protest von Oskar Brüsewitz richtete sich auch gegen diesen Terror.
Über 700 Betroffene wurden in Thüringen inzwischen als »verfolgte Schüler« anerkannt. Eine soziale Ausgleichsleistung gibt es für sie jedoch nicht. 1999 brachten Angela Merkel und weitere Abgeordnete eine entsprechende Forderung in den Bundestag ein. Bis heute gab es dazu keine Mehrheit. Es wäre gut, wenn die Kirchen den Mut derer, die sich den Jugendweihen widersetzten und als Christen ihren eigenen Weg gingen, würdigten und sich für eine soziale Anerkennung einsetzten. Der frühe Eingriff in den Berufsweg und damit in die (Renten-)Biografie wirken oft bis heute fort.
Christian Dietrich
Der Autor ist Landesbeauftragter des Freistaates Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.