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Wie viel Vergangenheit verträgt ein Volk und wie geht es damit um? Das war die zentrale Frage, als vor 20 Jahren das Stasi-Unterlagengesetz in Kraft trat. Durch das Gesetz sollte den Opfern von einst die Einsicht in ihre Akten gesichert werden und der Umgang mit dem Erbe des Herrschaftsapparates der SED geregelt werden. Das, was damals für heftige Diskussionen sorgte, ist inzwischen gängige Praxis.
Rund 6,6 Millionen Anträge auf Akteneinsicht sind seither gestellt und fast 1,8 Millionen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auf eine Stasi-Verstrickung überprüft worden. Nicht nur nach Ansicht des Theologen und Politikers Richard Schröder handelt es sich um eine echte Erfolgsgeschichte. Auch international gilt es als Modell einer bewussten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Allenfalls die Besetzung der Spitze einer Landesbehörde, die Verlängerung der Überprüfungsfrist oder die Frage, ob der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde langjährige Mitarbeiter wegen ihrer frühere Stasitätigkeit einfach versetzen darf, sorgt heute für Aufregung. Strittig wird es zudem stets dann, wenn es um die Frage geht, wie mit den Tätern von einst verfahren werden soll.
Natürlich kann das Stasi-Unterlagengesetz den rechtsstaatlichen Umgang mit den Akten regeln. Welche Erkenntnisse und Konsequenzen daraus zu ziehen sind, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
Die Kirche ist hier leider nicht mit gutem Beispiel vorangegangen. Lange hat sie sich schwer damit getan, die eigene Vergangenheit und das Versagen einzelner Kirchenvertreter kritisch in den Blick zu nehmen und auch Konsequenzen zu ziehen. Durch diese zögerliche Haltung hat sie viel Kredit verspielt.
Dabei hätte gerade die Kirche zeigen können, dass die juristische Aufarbeitung das eine ist, der Umgang mit Fehlverhalten, Schuld und mit den Brüchen in der Lebensgeschichte etwas anderes. Das bleibt eine Aufgabe, die auch 20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Stasi-Unterlagengesetzes nicht verjährt ist.
Martin Hanusch